Das Labor für Paläo-Lichenologie

Die Anfänge: Das Labor für Paläo-Lichenologie ist ein privates Forschungslabor. Ich habe es 1990 eingerichtet zur paläo-ökologischen Untersuchung von Keupersedimenten mit Schwerpunkt, fossile Flechten. Das Projekt beginnt 1989 mit der Entdeckung gut erhaltener Pflanzenkutikeln an der klassischen Triops-Fundstelle Koppenwind (Trusheim 1933). Die Suche nach vergleichbaren Fundsituationen führte in der weiteren Umgebung zu mehreren Aufschlüssen im Schilfsandstein (Karn) mit ergiebigen Kutikel-führenden Lokalitäten. Zusammen mit den Pflanzen-Kutikeln fand ich Objekte, die sich nach ihrem äußeren Aussehen kaum von Kutikeln unterscheiden. Erst im Mikroskop erkennt man ihre völlig andere Cytologie. Die noch gut erkennbaren Zellen sind nicht isodiametrisch, wie es für Epidermen typisch ist, sondern hyphenartig. Da ich mit der Anatomie und Cytologie rezenter Flechten durch Untersuchungen im Rahmen meiner Dissertation (Universität Würzburg, 1978) gut vertraut bin, war es für mich relativ leicht, die flechtenartige Natur dieser Objekte zu erkennen. Intensive Suche nach weiteren Fundstellen brachte schließlich eine beträchtlich Zahl vollständig erhaltener Objekte in meine rasch wachsende Sammlung. Eine   Publikation (Spektrum der Wissenschaft 5, 20-24, 1992), brachte mir einen  Kontakt zu S.V.Manum  und seinem Team (Oslo). Sie schickten mir eine ihrer Publikationen, in denen sie ähnliche Objekte beschreiben , wie ich sie in Spektrum der Wissenschaft als frühe Flechten vorgestellt hatte. Durch die Korrespondenz mit Manum erfuhr ich, dass derartige Fossilien seit Ludwig (1857) bekannt sind, vielfach als Kuriosa und enigmatische Organismen galten oder recht unterschiedliche Deutungen ihrer systematischen Zugehörigkeit erfahren haben, so u.a. als Samen, Sporen und Eier. Manum et al (1991 u. 1996) widerlegen alle früheren Deutungen und beschreiben diese Objekte als fossile Kokons von Clitellaten. Ich habe daraufhin rezente Clitellatenkokons und Kokons verschiedener anderer Spezies untersucht, mit dem Ergebnis, dass die Deutung als Kokons weder anatomisch-cytologisch noch aus Sicht der Fossilisation  haltbar ist.  Rezente Clitellatenkokons bestehen aus Proteinen, rezente Flechten hauptsächlich aus Lichenin, einem Polysaccharid. Die Beschäftigung mit diesem Problem brachte mich auf die Frage nach dem Fossilisationsprozess, der hinter diesen Fossilien liegt:
Ungeachtet dessen, ob nun Kokons oder Flechten, es fiel mir  auf, dass diese Fossilien offenbar aus dem gleichen Material bestehen, wie fossile Pflanzen-Kutikeln, d.h. einer brennbaren, chemisch aber äußerst stabilen, bernsteinfarbenen, hyalinen Masse, die im feuchten Zustand flexibel und trocken brüchig ist. Meine Literaturstudien ergaben, dass nach herrschender Lehrmeinung  fossile Kutikeln noch aus dem ursprünglichen Kutin/Kutan bestehen. Da die fossilen Kokons ursprünglich aus Proteinen bzw. die fossilen Flechten ursprünglich aus Polysacchariden bestehen, würde das  bedeuten, dass sich durch den Fossilisationsprozess das Protein der Kokons, bzw. das Polysaccharid der Flechten in Kutin/Kutan verwandelt haben müsste. Das konnte so nicht stimmen! Zu diesem Zeitpunkt war mir klar, dass ich in der Frage Kokons oder Flechten  nur weiterkommen konnte, wenn ich die Stoffnatur der fossilen Kutikula aufklären kann. An Versuchen, die Stoffnatur fossiler Kutikeln zu analysieren, hatte es laut einschlägiger Literatur  nicht gefehlt. Das beginnt bereits im 19. Jahrhundert, z. B. bei Bornemann (1856) und setzt sich fort bis heute (De Leeuw et al.1991). Kelber (1999) spricht in Zusammenhang mit fossilen Kutikeln aus dem Werksandstein von "Substanzerhaltung". Dabei lässt sich relativ leicht zeigen, dass dies nicht stimmen kann. Rezente Kutikeln sind wegen der wachsartigen Stoffnatur des Kutins wasserabstoßend. Die fossilen Kutikeln, die angeblich aus Kutin bestehen, saugen dagegen das Wasser geradezu auf. -- In den folgenden Jahren führte ich daher mit fossilen Kutikeln zahlreiche physikalische und chemische Versuche durch. Wichtigste Entdeckung hierbei war, dass diese Fossilien brennbar sind und ihre Asche aus Kieselsäure besteht (ca. 20% ihres Trockengewichtes). Diese Tatsache lenkte meine Untersuchungen in Richtung Verkieslung bei Fossilisationsprozessen. Offenbar ist die  fossile Kutikula eine Permineralisation mit Kieselsäure, d.h. eine echte Versteinerung!  Ungewöhnlich sind aber deren  Brennbarkeit und  ihre Flexibilität im feuchten Zustand . Es kann sich als nicht um eine Verkieselung im üblichen Sinne handeln, denn die sind bekanntlich nicht brennbar und äußerst hart. Während meines Chemiestudiums hatte ich Einblick in die Chemie der Kieselsäuren und siliziumorganischen Verbindungen, daher kam ich auf die Idee, es könne sich hier um eine fossile siliciumorganische Verbindung handeln, was ich dann auch nachweisen konnte (Dokumenta naturae, Bd, 112/1, 1997). Mit der Entdeckung fossiler siliziumorganischer Verbindungen als einem bisher nicht bekannten Fossilisationsprozess bin ich in die Kerogen-Diskussion geraten. Der Sammelbegriff "Kerogen" steht für zahlreiche unlösliche, harzartige Fossilstoffe, deren chemische Zusammensetzung und Entstehung unklar sind. Aufgrund meiner Beobachtungen an Kutikeln aus dem Unterfränkischen Keuper nehme ich an, dass die Kieselsäure generell eine Rolle bei der Kerogenbildung spielt, was sich durch Verbrennen und Analyse der Asche leicht nachprüfen lässt.           Mit Aufklärung der Stoffnatur war die Frage, ob es sich um Kokons oder Flechten handelt entschieden. Proteine gehören zu den schnell abbaufähigen Verbindungen im Verwesungsprozess. Für eine Verkieselung eignen sich nur Substanzen, die dem anorganisch-chemischen (Säuren etc.) und dem biologischen Abbau (Mikroben) größeren Widerstand leisten, wie etwa Kutin/Kutan, Chitin/Lichenin oder Sporopollenin. Inzwischen ist allerdings, Dank sehr überzeugender Befunde im anatomischen und cytologischen  Bereich, die Beweislast zugunsten der Flechten  so groß, dass die Kokoninterpretation auch von daher als widerlegt gelten kann (Dokumenta naturae, Bd. 112/2, 2002). 

Gegenwärtige Untersuchungen:
         
                                                                                                                                                                                               
Flechtenevolution
Meine Untersuchungen konzentrieren sich heute auf Fragen der Flechten-Phylogenese. Das jetzt vorliegende, umfangreiche Fundmaterial enthält nach meiner Einschätzung urtümliche, heute nicht mehr existierende Pilz- und Flechtengruppen neben solchen, die rezenten Formen recht ähnlich sind, so dass Trends  bezüglich der Lagerentwicklung erkennbar sind.   Evolution
Paläo-Ökologie: Um phylogenetische Trends am Fossilmaterial in ihrer Bedeutung besser beurteilen zu können, werden außer dem Objekt  auch möglichst viele Spurenfossilien, die Hinweise auf Umweltbeschaffenheit und Lebensweise der Flechten geben können, miterfasst. Da die Fossilien relativ klein sind, ist es möglich, die gesamte Fundsituation eines Objektes, d.h. das umgebende Sediment zu archivieren. So konnten z.B. bei nachträglichen Untersuchungen im Sediment, von Flechtenlagern ausgehende, feine Myzelien entdeckt werden, die eine epigäische Lebensweise vermuten lassen. Entsprechend verraten sich eine epiphytische oder saprophytische Lebenweise durch  Myzelien in fossilen Pflanzenteilen der Taphocönose. Eine besondere Bedeutung hat dabei die Entdeckung des fossilen Pflanzenmoder . In ihm haben wir eine fossile Tanatocönose vor uns, in der Destruenten, wie Bakterien, Pilze und saprophytische Flechten miterhalten sind. Der Pflanzenmoder hat auch floristischen Wert, enthält er doch auf engstem Raum Relikte zahlreicher Sippen, die sowohl räumlich als auch zeitlich korrelierbar sind, was für den Entwurf einer fossilen Flora unabdingbar ist.                                                                                                                                                                                        Palynomorphe und Kutikeln: Bei der Suche nach Flechten werden etwa zehnmal so viele 

Kutikeln Makrosporen und andere Objekte aus Fosicom gefunden. Diese Funde werden registriert und archiviert, um sie für spätere Untersuchungen verfügbar zu haben, wie z.B. die Zuordnung der Kutikeln zu Makroresten bereits bekannter Arten. Entsprechendes gilt auch für den 
Bernstein, der im fossilen Moder  all bis etwa linsengroße Einschlüsse vorkommt. Er enthält organische Einschlüsse.             Bernstein

  

Dr. Rolf Ziegler, Studiendirektor am Franken-Landschulheim Schloss Gaibach,                                                                             geb. 1946, Abitur (1967), Studium der Biologie, Chemie und Geographie an der Universität Würzburg (1968-73), Graduiertenstipendium und Doktorand am Institut für Geobotanik der Universität Würzburg (1973,74). Seit 1975 Lehramt an Gymnasien für Biologie/Chemie/Erdkunde,   Promotion bei O. L. Lange, Universität Würzburg (1978) mit einer vegetationsgeographischen  Arbeit im  Muschelkalk Unterfrankens, Schwerpunkt: Moose und Flechten.  Seit 1965 Sammeltätigkeit in pflanzenführenden Sedimenten des Keupers und der Keuper-Lias-Grenzschichten. 1989 Entdeckung fossiler Lagerpflanzen mit blattflechtenartiger Anatomie im Schilfsandstein, Erstpublikation 1992. Ab 1990 Aufbau eines Forschungslabors zur paläo-ökologischen Untersuchung von Keupersedimenten  mit Schwerpunkt : fossile Flechten.

  fossile Flechten                      Kontakt             Publikationen      Übersicht